Digitales Marketing in China – für Einsteiger
Mit einer Bevölkerung von mehr als 1,4 Milliarden Menschen ist China hochinteressant für global agierende Unternehmen. Gemessen am BIP ist das Land die zweitgrößte Wirtschaft der Welt – und ein spannender, weiterhin schnell wachsender Markt, den man nicht ernsthaft ignorieren kann. Um ihn zu erobern, muss man ihn aber erst einmal verstehen. Meine Damen und Herren, bitte schnallen Sie sich an: Wir erreichen China!
10. März 2022 Marketing
Hier wird Sie niemand googeln ... und was ist mit Baidu?
Sie nehmen also mit Ihren Produkten und Dienstleistungen digital schon Kurs auf China? Dann ist das Erste, was Sie wissen müssen: Mit Google kommen Sie hier nicht weit!
70 % der chinesischen Internet-Nutzer verwenden vor allem ihre größte Suchmaschine, Baidu. Was die Sprache angeht, müssen Sie es sich nicht unnötig schwer machen: Baidu arbeitet mit der vereinfachten chinesischen Schrift, vor allem verwendet für Mandarin, der Sprachvariante des Festlands. Das ist im chinesischen E-Commerce allgemein üblich. Zwar wird in Hongkong und Macau weiterhin Kantonesisch gesprochen und geschrieben, aber auch dort verstehen die Menschen das vereinfachte Chinesisch.
Um auf Baidu im Ranking auf den ersten Seiten zu landen, kommt man kaum ohne Werbung aus. Und die können nur Unternehmen mit einem offiziellen Firmensitz in China oder in bestimmten ostasiatischen Ländern schalten. Das bedeutet eine ziemliche Investition und entschlossenen Einsatz; aber es bedeutet einen möglichen Zugang zu einer neuen virtuellen Dimension – mit einer vielversprechenden Zielgruppe:
- China hat 900 Millionen Internet-Nutzer; 90 % davon auf mobilen Geräten.
- Das Land ist der größte E-Commerce-Markt der Welt – größer als alle Marktanteile der zehn wichtigsten global im E-Commerce tätigen Konzerne zusammen.
- Bis 2023 macht E-Commerce voraussichtlich 64 % des chinesischen Einzelhandels aus.
- Mehr als die Hälfte der chinesischen Bevölkerung nutzt mobile Bezahlformen.
Doch Baidu allein bringt Sie nicht ans Ziel – sofern es Sie überhaupt weiterbringt.
Mobil und „sozial“
Präsenz auf dem chinesischen Markt bedeutet, für eine hoch agile Zielgruppe auf deren mobilen Geräten präsent zu sein. Vergessen Sie „Mobile First“: In China heißt es eigentlich immer „Mobile Only“. Denken Sie daran, 90 % der 900 Millionen Internet-Nutzer gehen mit Mobilgeräten online – in dem Land mit dem schnellsten 5G-Ausbau weltweit: Mehr als 42 Millionen Nutzer bewegen sich bereits mit 5G im Netz.
Soziale Medien werden zu Social E-Commerce
Mobile und technisch versierte Nutzer haben ihre Netzwerke immer dabei – virtuell. Nebenbei können sie auch ihre Einkäufe online bezahlen. Das bedeutet: In China sind soziale Medien gleichzeitig Sozialer E-Commerce. Mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Bis 2022 sollen in China Waren im Wert von mehr als 413 Mrd. US-Dollar über Social E-Commerce verkauft werden. Da möchten Sie mitspielen? Dann müssen Sie diese Plattformen kennen:
1. WeChat
1,2 Milliarden Nutzer. Eine App des Giganten Tencent, die unter anderem Nachrichten- und Bezahlfunktionen mit sozialen Medien verbindet ... quasi eine multifunktionale „Super-App“. Wie leistungsstark sie genau ist, hängt von Ihrer Geschäftslizenz ab. Bei der Auswahl der für Sie besten App lassen Sie sich am besten von Profis zu Ihrem individuellen Fall beraten. Wir unterstützen Sie gerne!
2. Tencent QQ
Etwa 700 Millionen Nutzer. Eine weitere Messaging-App von Tencent. Sie wurde bereits 1999 entwickelt, hat aber trotzdem ein mehrheitlich jüngeres Publikum als WeChat.
3. Douyin
Mehr als 600 Millionen Nutzer. Douyin (von Bytedance, mit Sitz in Peking) wird als chinesische Version von deren internationaler App TikTok gehandelt. Das stimmt insofern, als Nutzer außerhalb Chinas nur TikTok herunterladen können, Nutzer innerhalb des Landes nur Douyin. Letzteres bietet aber auch Funktionen, die man bei TikTok (bisher) vergeblich sucht.
4. Sina Weibo
Mehr als 523 Millionen aktive Nutzer im Monat. Das chinesische Äquivalent zu Twitter bietet mehr Funktionen, darunter persönliche Chats, Stories und Vlogs.
Behalten Sie diese Kanäle für Ihre Gesamtstrategie im Hinterkopf, aber nicht unbedingt als Einstieg: Denn in China integrieren soziale Medien E-Commerce nicht nur nahtlos, sondern E-Commerce ist hier „social”.
E-Commerce wird „social“ und interaktiv
XiaoHongShu: Kauffreudige junge Berufstätige gesucht?
Wie eng soziale Medien und E-Commerce in China inzwischen vernetzt sind, fällt hier sofort auf: XiaoHongShu („kleines rotes Buch“, kurz einfach Rot genannt) hat etwa 300 Millionen Abonnenten, wovon fast ein Drittel mindestens jeden Monat aktiv sind.
Auf XiaoHongShu werden quasi alle Nutzer zu Influencern – ob wirkliche KOLs („Key Opinion Leaders“, wie Influencer hier genannt werden), Prominente oder schlicht Abonnenten. Die Nutzer sind vor allem Frauen unter 35, aus einem urbanen Umfeld. Hier zeigt sich besonders der wachsende Einfluss von Empfehlungen auf das Nutzerverhalten.
TMall: TMall: Hochmodern, schnell ... chinesisch
Das größte und fortschrittlichste Einfallstor für Anbieter aus dem Ausland ist allerdings eine andere Plattform: TMall. Sie hat den höchsten Marktanteil im chinesischen B2C-Umfeld und ist bekannt für grenzüberschreitende Verkaufsoptionen. Shops der wichtigsten internationalen Player nutzen dies bereits: 60 % der weltweit führenden Marken verkaufen ihre Produkte hier an den chinesischen Markt. TMall ist Teil des Alibaba-Universums und lässt sich mit der eher C2C-orientierten Plattform Taobao vergleichen – allerdings wesentlich weiter entwickelt.
Besonders attraktiv: Im TMIC (TMall Innovation Center) erforscht Alibaba die Ansprüche chinesischer Verbraucher an die jeweilige Marke. So können Unternehmen ihre Produkte an die angesprochenen demografischen Gruppen anpassen. Ein weiteres Erfolgsrezept von TMall sind Tools wie Hey box („kleine Blackbox“), ein Kanal, der individuell neue Produkte hervorhebt – anhand von Nutzerprofil und -verhalten.
L’Oréal ist das perfekte Beispiel dafür, wie sich diese Plattform optimal nutzen lässt. Das Unternehmen passt nicht nur sein Angebot mittels TMIC an die Anforderungen chinesischer Verbraucher an, sondern macht aus Produkt-Premieren interaktive Events auf der Plattform – 24-Stunden-Live-Streamings mit KOLs und Produktentwicklern inklusive, plus virtueller Immersion Rooms und vielem mehr.
JD (Jingdong): Perfekte Logistik und WeChat-Integration
TMalls größter Konkurrent ist JD (Jingdong), auch wenn der Marktanteil dieser Plattform nur etwa halb so groß ist. Schwerpunkt bei JD sind Elektronik-Produkte; im Vergleich zu TMall fällt auf, dass es eher männliche Kunden sind, die diese Plattform bevorzugen. Zwei interessante Stärken von JD sind die Integration mit WeChat–Tencent ist auch hier der größte Anteilseigner – und eine perfekte, schnelle Logistik.
So viele Tools, so viele Fallen: Wie wird Ihre Marke in China ein Hit?
China ist ein besonders interessanter, aber auch anspruchsvoller Markt – angefangen bei einer Gesetzgebung, die das Land gegenüber ausländischen Anbietern eher abschottet. Daher brauchen Sie international orientierte Plattformen wie die oben Genannten.
Am einfachsten und vielversprechendsten ist der Zugang über Social- E-Commerce-Plattformen, die ausländische Anbieter zulassen – etwa TMall oder JD in ihrer internationalen Version. Sie verlangen allerdings eine relativ hohe Gewinnbeteiligung, und der Wettbewerb ist in China noch härter als in anderen Märkten: Anbieter aus der ganzen Welt konkurrieren hier miteinander. Das kann auch mal dazu führen, dass Verkäufe nur dazu dienen, einen Fuß in die Tür zu bekommen, aber nicht profitabel sind.
Daher ist ein starker Markenaufbau in China noch wichtiger als irgendwo sonst. Zum einen werden die Plattformen deutlich günstiger, sobald Sie mit Ihrer Marke für starken Traffic sorgen.
Zum anderen: Sobald Ihre Marke in China so bekannt ist, dass Ihnen Ihre Zielgruppe über verschiedene Kanäle hinweg folgt, lohnt es sich, innerhalb einer Super-App wie WeChat eigene Mini-Apps zu entwickeln – „Mini-Programme“ genannt.
Vielleicht haben Sie auch schon von Pinduoduo gehört, einer weiteren grenzübergreifenden Plattform, die Zugang zum chinesischen Markt anbietet. Damit sollten Sie aber vorsichtig sein: Der Wettbewerb läuft dort fast ausschließlich über den Preis, denn Nutzer können sich zusammenschließen, um größere Bestellungen aufzugeben und so noch günstigere Preise auszuhandeln. Kaum der richtige Ausgangspunkt für eine treue Kundenbasis, die längerfristig Ihre Preismodelle akzeptiert.
Agile Kanäle, Nutzer und Technologien: Machen Sie sich bereit – für extremen Content-Bedarf!
Wenn, dann richtig: Sie haben Ihre Marke etabliert – wahrscheinlich über eine Social-E-Commerce-Plattform wie TMall, JD oder XiaHongShu. Jetzt denken Sie an eigene Mini-Programme auf WeChat & Co? Dann geben Sie von Anfang an hundert Prozent!
Sie brauchen viel hochwertigen Content, in den unterschiedlichsten Formaten – von Video und Audio (etwa Musik-Streaming und Podcasts) bis zu Gaming-Formaten. Und haben Sie in Sachen Format keine Schere im Kopf: China ist das Land, in dem schon Figuren eines bekannten Videospiels eine Lippenstift-Kampagne zum vollen Erfolg werden ließen. So hat es der Kosmetik-Gigant MAC in China geschafft.
Andere Ökosysteme, andere Welten
Sie merken schon, bei Kampagnen in China heißt es: „Think Big!“ Wenn Sie es richtig machen und eine starke Marke aufbauen, zahlt sich diese Investition aus. Aus einem spontanen „Haben wollen“-Impuls wird schnell ein realisierter Kauf, wenn man quasi in jeder App, auf jeder Plattform mit einem Klick bezahlen kann.
Es gibt allerdings einen kleinen Wermutstropfen. In der Regel laufen die Zahlungen exklusiv über die proprietäre Anwendung des jeweiligen Ökosystems: Alipay für alle Apps von Alibaba (und Bytedance), Wepay für alles, was zu Tencent gehört, und Wallet für das Baidu-Universum.
Und erwarten Sie nicht, dass Sie Ihre Angebote problemlos zwischen den Social-Media-Kanälen der verschiedenen Systeme verlinken können. Die Konkurrenz dieser Plattformen untereinander ist so groß, dass Links häufig blockiert werden.
Expansion nach China: der große Auftritt
Eines noch: Wenn Sie in China erfolgreich sein wollen, machen Sie es wie die Chinesen und bereiten Sie sich gut auf den 11. November vor. Sehen Sie genau hin: Erinnern die Einsen nicht ein wenig an kahle Äste? Daher wird dieses Datum in China nicht nur „Doppel-11“ genannt, sondern ist auch der „Tag der Singles“. Gemeint ist immer das weltweit größte Online-Shopping-Event, bei dem innerhalb von 24 Stunden etwa 60 Mrd. US-Dollar umgesetzt werden. Das ist zwar eine Rabatt-Schlacht, aber auch die Gelegenheit schlechthin, um mit neuen Kampagnen richtig durchzustarten. Innovative, crossmediale Events zeigen, was im Social E-Commerce und im O2O-Geschäft aktuell möglich ist. Es ist ein Showcase dessen, was in China Erfolg verspricht: der ganz große Auftritt. Möchten Sie im Reich der Mitte vorne mitspielen? Mit uns finden Sie die richtige Strategie für Ihre individuelle Situation!
10. März 2022 Marketing
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